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  1. Schiffbruch in Australien:

Es war der 04.04.2019, am frühen Morgen, als ich einen schrecklichen Fehler machte, die Morgensonne war gerade dabei ihre ersten Strahlen auf den Fluss zu werfen und der Himmel war getaucht in ein glühendes Rosa, mit scharfem Kontrast zu dem hellblauen Hintergrund. Ein vielversprechender Tag lag vor mir, doch ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Alpträume auch tagsüber stattfinden können.

Wie jeden Tag stand ich um halb sechs am Morgen auf, kletterte die Leiter in das Haupthaus hinauf, kochte Kaffee, praktizierte Yoga auf dem Dach von dem Boot und mit etwas Unbehagen schlüpfte ich in meinen noch feuchten und kalten Gummianzug. Ich warf meine Handschuhe in das Boot und befüllte meine Jonny-Walker-Wiskey-Glasflasche mit frischem Wasser.

Im vorderen Teil des Bootes lagen zwei Anker, ein sehr kleiner Sicherheitsanker und ein robuster, viermal so großer, schwerer eiserner Anker. Als Erstes steuerte ich den Strand an und warf den schweren Anker aus meinem Boot, um unnötiges Gewicht loszuwerden. Ich hatte ein seltsames Gefühl, eine düstere Vorahnung. Eine innere Stimme sagte mir: “Du wirst ihn vielleicht noch brauchen, behalte ihn zu Sicherheit”. Aber ich ignorierte diesen Einwand.  

Ich steuerte die Flussmündung an, mein Ziel lag auf der rechten Seite etwa 500 Meter entfernt, dort war vertikal zum Strand ein Netz gespannt, welches ich einholen sollte. Diesen Morgen verwendete ich die große Fahrrinne in der Mitte des Flusses und steuerte direkt auf das offene Meer zu, um die versteckten Sandbänke an den Seiten zu vermeiden. Mein Plan war es, einen Bogen zu fahren und später in die Nähe des Strandes zurückzukehren.

 In dem Moment als ich die Fahrrinne verlassen hatte und parallel zum Strand fuhr, ging plötzlich mein Motor aus. Das war schon oft passiert und ich dachte mir zuerst nichts dabei. Mit mehreren kräftigen Zügen zog ich an dem Anlasser Seil, doch der Motor gab nur ein jämmerliches Röcheln von sich. Ich versuchte es so lange, bis ich außer Atem war und mein Arm schwer wurde. Ich brauchte eine Pause und blickte mich um. Die Distanz von mir zum Strand hatte sich deutlich vergrößert, die Strömung schien mich auf das offene Meer hinaus zuziehen. 

Ich warf meinen kleinen Sicherheitsanker heraus und versuchte es erneut mit dem Starten von dem Motor. Nach einer Weile blickte ich mich erneut um, der Strand war nun deutlich kleiner geworden, nur noch ein dünner gelber Streifen am Horizont, der Anker hatte sich nicht in den Meeresboden gegraben, er war zu leicht und das Seil zu kurz. Mein Herz blieb für einen Moment stehen und mir stockte der Atem, mir wurde bewusst, dass Cathy und Tyrone soweit draußen auf dem offenen Meer nicht nach mir suchen würden, es wäre viel zu gefährlich. Ich musste auf mich aufmerksam machen, denn mit jeder Sekunde wurde ich weiter auf das offene Meer gezogen und die Wellen wurden immer höher.

Ich begann das Fach im vorderen Teil von meinem Boot zu durchsuchen, ich fand einige Rauchfackeln, eine Leuchtrakete und eine Flasche Wasser. Ich stellte mich auf die erhöhte Plattform an der Spitze des Bootes und hielt mit ausgestreckter Hand die Rauchfackel in die Luft. Der orangene Rauch strömte heraus, doch die Fackel war bald aufgebraucht und der Rauch verwehte im Wind. Ich hatte eine einzige Leuchtrakete, ich zögerte kurz als ich sie in der Hand hielt, aber mit einem Blick auf die sich immer größer auftürmenden Wellen, fällte ich die Entscheidung und schoss sie in den Himmel. Ich stellte mir vor, wie Cathy auf dem Mutterboot dabei war Fischboxen zu packen, wie sie auf die Flussmündung Richtung Meer blickte und die Kugel sieht. Gleichzeitig war mir bewusst, dass ich Glück haben musste, vielleicht war sie im Haupthaus und trank geraden den Kaffee, den ich ihr gekocht hatte, völlig ahnungslos, dass ich mich in Lebensgefahr befand.

Bald konnte ich das Land nicht mehr sehen. Die Angst kroch mir in die Glieder, wie ein kalter Nebel im Winter und lähmte mich. Ich versuche immer wieder den Motor zu starten. Ich vermutete, die Ursache des Problems war, dass Wasser in den Treibstoff gekommen sein musste. Ich saugte das restliche Benzin aus dem Motor und pumpte neues hinein. Es funktionierte, der Motor gab das charakteristische Jammern von sich, das zeigt, dass er bald anspringen würde. Ich fasste neuen Mut und mit Herzklopfen versuchte ich es weiter. Beim zweiten Mal klappte es und mit einem leichten Zittern fahre ich langsam los, es ist ungewohnt bei so hohem Wellengang zu manövrieren, ich versuche die Wellen schräg zu schneiden wie Tyrone es mir beigebracht hat, sollte ich in parallele Position zu den Wellen geraten würde ein ungünstiger Moment ausreichen und ich könnte umgeworfen zu werden. Meine Hoffnung währte nicht lange, nach etwa 50 Metern würgt es den Motor erneut ab.

Ich versuche es wieder, aber er gibt keinen einzigen Laut von sich, als hätte ich das letzte bisschen Energie aus ihm heraus geprügelt. Verzweifelt zog ich an dem Anlasser Seil bis zu meiner absoluten Erschöpfung, eigentlich wollte ich aufgeben, doch ich zwang mich zu einem letzten Versuch, dabei machte ich eine unglückliche Bewegung und mein Fuß kickte den Stöpsel aus seiner Halterung. Wasser flutete in mein Boot, für zwei Sekunden stehe ich still und sehe das Wasser hineinfließen, in der dritten Sekunde schießt meine Hand nieder und mit einem Griff packe ich den Stöpsel, der in dem einströmendem Wasser schwimmt, und drücke ihn zurück in seine Halterung. Ich war drei Sekunden und einen falschen Handgriff entfernt vom Tod. Glücklicherweise hatte ich eine Plastikschale in meinem Boot, mit der ich das eingedrungene Wasser herausschöpfen kann.

Danach gab ich es vorerst auf, an dem Anlasser Seil zu ziehen und machte eine Pause. Ich ließ mich auf Metallbank in der Mitte von dem Boot sinken und beobachte die Wellen, wie sie mein Boot anheben, wie es in leichte Schräglage gerät und wieder in das Wellental gleitet. Zum ersten Mal seit ich um 6 Uhr morgens aufgebrochen war, denke ich über die verschiedenen Szenarien nach. Ich stellte mir vor, wie ein Helikopter kommen würde, um mich zu retten. Manchmal dachte ich auch, dass ich Motorgeräusche hören würde, aber das stellte sich als eine Illusion heraus. Das andere Szenario war, dass die Strömung mich nach ein paar Tagen wieder in Richtung Land treiben würde. Ich dachte auch zum ersten Mal daran, dass ich umgeworfen werden könnte und im Meer ertrinken würde. 

Die Sonne stand im Zenit, ich hatte schon etwa sechs Stunden auf dem offenen Meer verbracht. Der Anblick der Wellen hypnotisierte mich, es war als hätte die Angst meine Seele mit vollautomatischen Gewehren ins Sperrfeuer genommen, sie schießen Raketen auf mich, sie lassen Bomben regnen. Ich verkroch mich in den vorderen Teil des Bootes, um mich für eine Weile zu erholen. Es war reine Folter, ich lag da auf den harten Eisenstreben, ein gekugelt wie ein Embryo und konnte nichts tun, um meine Situation zu ändern. Ich denke über mein Leben nach…

  1. Schiffbruch als Metapher für das Leben

Auf dem offenen Meer verloren zu sein, ohne Anker, ohne GPS und ohne funktionierenden Motor ist eine schreckliche Position. Es ist das Gefühl des Ausgeliefertseins, das Gefühl keine Kontrolle über sein Leben zu haben. Mit anderen Worten, was am schlimmsten ist, das Gefühl, dass nicht man selbst, sondern die Umstände über das eigene Leben entscheiden. Das gleiche Gefühl kann in verschiedenen Phasen des Lebens auftauchen. Doch wie kommt es dazu?

  1. Der Anker als Metapher für Werte

In meiner Geschichte von dem Schiffbruch in Australien war das erste Problem der Anker. Wenn ich einen großen eisernen Anker gehabt hätte, mit genügend Seil wäre ich nie auf das offene Meer hinausgetrieben. Genauso ist es im Leben, wenn man starke Werte hat, dann kann man daran festhalten und geht nicht verloren. Auf der anderen Seite, wenn man schwache Werte hat oder in anderen Worten, wenn der Anker zu leicht ist, dann wird man schnell auf das offene Meer hinausgetrieben. Wenn wir Leben verloren sind, liegt es oftmals daran, dass wir nicht fähig sind harte Entscheidungen zu treffen und diesen auch zu folgen.

  1. Der Treibstoff als Metapher für Motivation

Das zweite Problem in meiner Geschichte war der Treibstoff und der Motor. Es war Wasser in den Treibstoff geraten, deswegen funktionierte der Motor nicht mehr. Der Motor eines Bootes kann verglichen werden mit der Motivation, die uns antreibt, unsere Ziele zu verfolgen. Wenn wir es zulassen, dass unsere Motivation verdünnt wird, dann kann dies den Motor außer Kraft setzen. In anderen Worten, wenn wir schlechte Gewohnheiten in unsere Leben tolerieren, dann verlieren wir unsere Antriebskraft. Wenn wir zu spät ins Bett gehen, wenn wir uns ungesund ernähren oder zu viel Zeit am Smartphone verbringen, das wird alles die Motivation verdünnen. Wir werden dann nicht mehr in der Lage sein unsere Ziele zu verfolgen.

  1. Der Kompass/GPS als Metapher für logisches Denken

Das dritte Problem in meiner Geschichte war das fehlende GPS. Hätte ich ein GPS in meinem Boot gehabt, dann hätte man mich innerhalb kürzester Zeit gefunden. Das GPS oder der Kompass kann als das logische Denken verstanden werden. Es ist die Fähigkeit, ein Ziel anzuvisieren und es nicht mehr aus dem Auge zu verlieren. Ein Kompass schenkt uns Orientierung und wenn wir einmal vom richtigen Weg abgekommen ist, kann er uns helfen uns neu zu justieren. Ein kaputter Kompass kann fatal sein, weil er uns in die falsche Richtung führt. Genauso ist es im Leben fatal, wenn unser logisches Denken gestört sind.

  1. Das Zusammenspiel von Anker, Motor und Kompass

Der Motor ist ein wichtiger Bestandteil, aber mit voller Kraft zu fahren hat keine Vorteile, wenn man nicht weiß, wo man ist und wo man hin möchte. Genauso ist es im Leben hilfreich motiviert zu sein, aber wenn man kein klares Ziel hat, dann wird diese Kraft oft verschwendet in sinnlosem Aktivismus. Auf der anderen Seite ist der Kompass genauso nutzlos, wenn man weiß, wo man hin möchte, aber nicht die Motivation hat, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Auch der Anker nimmt eine wichtige Rolle ein. Denn er kann uns Halt geben, wenn die Strömung zu stark wird oder ein Unwetter aufzieht. Der Anker und somit unsere Werte sind dann unsere Lebensversicherung. Ein Mensch mit schwachen Werten wird von der Strömung der Konformität mit sich gerissen, genauso wie ein Boot, welches über keinen Anker verfügt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Zusammenspiel von Werten, Motivation und logischem Denken, zentral ist für ein selbstbestimmtes Leben.

  1. Den Kompass kalibrieren

Der Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun hat das Modell vom inneren Team erfunden. Dabei geht es darum, dass innerhalb der Psyche eines Menschen verschiedene Persönlichkeiten leben, jeweils mit ihren eigenen Zielen und Bedürfnissen. Schulz von Thun empfiehlt einen konstruktiven Umgang mit seinen eigenen Teammitgliedern. Wenn ein dominantes Teammitglied anfängt, die anderen zu mobben, dann kann dies zu einer Dysfunktion innerhalb der gesamten Persönlichkeit führen. Genauso, wenn die Teammitglieder zerstritten sind und jeder in eine andere Richtung möchte.

Genauso ist es auf einem Boot, wenn die Mannschaft zerstritten oder der Kapitän tyrannisch ist, dann wird dieses Boot Schwierigkeiten haben sein Ziel zu erreichen. Schlimmer noch, wenn die Mannschaft sich nicht einig ist über das Ziel und jeder woanders hin möchte. Das wird zu einem ernsthaften Problem, wenn ein Sturm aufzieht. Genauso ist es im Leben, wenn man sich nicht entscheiden kann und hin- und hergerissen ist von tausend Optionen. Am Ende fällt man keine Entscheidung, was auch eine Entscheidung ist, und lässt sich treiben. Aber wenn eine Lebenskrise aufzieht wie ein Sturm und droht alles zu verwüsten, dann hat der Mensch, der innerlich zerstritten ist, wenig in der Hand, um sich zu schützen.

Was aus meiner eigenen Erfahrung in einer solchen Situation hilft, ist das Schreiben. Es ist einfach, gedanklich in Widersprüchen verwickelt zu sein. Wenn man allerdings seine Gedanken auf das Papier bringt, dann zeigt sich, wie unlogisch unser Denken ist und wie unberechtigt unsere Ängste sind. Wenn wir unsere Gedanken auf das Papier bringen, dann ordnen sie sich, irrelevantes wird aussortiert und es wird deutlich, was wirklich zählt. Diesen Prozess kann man auch das Kalibrieren von dem Kompass nennen, weil es uns hilft Orientierung und Klarheit zu finden.

  1. Schlussbemerkungen

Die Lektion, die ich aus dem Schiffbruch gezogen haben ist, dass ich immer die Dinge mehr bereuen werde, die ich nicht gemacht habe, als die Dinge, die ich gemacht habe. Deswegen habe ich den Entschluss gefasst, so mutig und intensiv wie nur möglich zu leben. Wir werden eines Tages sterben und wenn wir dann auf unser Leben zurückblicken, dann werden uns nicht an den Kuchen, die Süßigkeiten, das Smartphone, den Alkohol oder die Pommes erinnern, das wäre absolut absurd. Wir werden uns an unsere Liebsten erinnern, an die Abenteuer und an die gemeinsame Zeit. Das ist es, was wirklich zählt im Leben. Warum also kurzfristigen Befriedigungen nachjagen? Warum nicht stattdessen an einem erfüllten Leben arbeiten? Packen wir es an.

In 20 Jahren wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus, aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche.“ Mark Twain

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